Mein heutiger Buchtipp dreht sich um den ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt. Als regierender Bürgermeister von Berlin musste er 1961 machtlos dem Bau der Berliner Mauer zuschauen. Von 1969 bis 1974 stand er einer sozialliberalen Koalition als Kanzler vor. In dieser Zeit entstand die „Neue Ostpolitik“, die in den Warschauer Verträgen mündete sowie dem Grundlagenvertrag, der die bilateralen Beziehungen beider deutscher Staaten regelte. 1974 trat Brandt von seinem Amt zurück, nachdem bekannt wurde, dass die Stasi einen Spion in seinem direkten Umfeld platziert hatte. In dem Buch „Erinnerungen an Willy Brandt“, geschrieben von einem seiner engsten Vetrauten, Egon Bahr, gibt dieser einen EInblick in die Arbeits und Denkweise seines Freundes Willy Brandt. Bahr war ab 1969 Staatssekeritär im Bundeskanzleramt. In dieser Funktion war er maßgeblich beteiligt an den Verhandlungen mit der DDR zur sog. „Entspannungspolitik“. Begriffe wie „Wandel durch Annäherung“ und die „Politik der kleinen Schritte“ wurden beide durch Egon Bahr geprägt. Das Buch versetzt den Leser in die Zeit der sog. „Bonner Republik“, in die Hochphase des „kalten Krieges“. Nach dem Lesen der Lektüre wird klar, dass ohne die Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition es 1990 keine WIedervereinigung gegeben hätte und der Skandal um den Kanzleramtsspion Günther Guillaume in Wahrheit kein Skandal war. Ausführlich wird die zweifelhafte Rolle des damaligen Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner beleuchtet; ein lesenswerter Ausflug in eine Zeit, in der das Fernsehprogramm noch aus drei Sendern bestand und für 20 Millionen Deutsche der Empfang von „West-Fernsehen“ eine Straftat darstellte.